Kurztexte/Fragments
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Tagebuch...
(Berlin-Moabit 93)
Morgens begegne ich in der Küche meinem Spiegelbild und
nenne es Barbara. Barbara bohrt in der Nase und versucht, in
Rekordgeschwindigkeit eine Kanne Tee zu leeren. In Wirklichkeit
will sie sofort wieder zurück ins Bett, doch damit wäre das
morgenfrohe Image zerstört, das sie gerade noch vehement zu
demonstrieren wusste. (Die Eindrücke, die wir hinterlassen, sind
der nachhaltigste Schutz vorm Erkanntwerden.)
Toll inszeniert, aber was nun...? Die grelle Schwere der meter-
langen orangefarbenen Stoffbahnen vor den Fenstern legt
sich auf die Lider. Überall lähmende Stille. Nur der alternde
Kühlschrank protestiert mit bösartigem Sirren vor sich hin...
"Fühl dich ganz wie zuhause", murmelt D., dreht sich wieder
um und hat keine Ahnung, was er mit seinen Worten auslöst.
Zuerst setze ich seinen Küchenfußboden unter Tee. Dann ist
exzessives Frühstück angesagt. Sesam-Müsli (selbst gemixt).
Perfekt. Überhaupt ist D.s gesamte Küche vollgestopft mit
super leckeren Lebensverschönerungszutaten aus'm Ökoladen,
die offensichtlich zum Standardinventar gehören. Wieder mal
wird mir bewusst, was ich mit mir, meinem Körper, meinem
Leben gemacht hab...
"Wut, Witz, Widerstand", brüllt D.s Wand. (Wichtige Worte, wa?)
Der Kühlschrank fordert 'Banker' auf, "nicht unsere Schulden",
sondern ihre Tage zu zählen. Ob er jemals von entsprechender
Stelle auf'm Sperrmüllhaufen wahrgenommen wird, ist fraglich...
"Nur tote Fische schwimmen immer mit dem Strom" schließlich
ziert in großen farbigen Lettern, plakativ und sinnentleert, die
Wohnzimmerwand der ansonsten ziemlich genial, wenn auch
ohne Dusche konzipierten Wohnung und bot gleich nach meiner
Ankunft Stoff für ein Lied...
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